Watch Dogs sorgte schon seit seiner Ankündigung für Gesprächsstoff und machte auch wegen der Release-Verschiebung immer wieder von sich reden. Sowohl die Konsolen- als auch die PC-Spieler wärmten schon mal ihr Equipment vor, als der neue Ubisoft-Titel dann endlich am 27. Mai für die Next- und Current-Gen-Konsolen und für den PC erschien. Ubisoft versprach Next-Gen-Grafik und eine packende Story. Ob der Publisher sein Wort halten konnte klären wir in dieser Review.
Moderner und zeitgemäßer könnte ein Setting kaum sein. Watch Dogs präsentiert ein zukunftsnahes Chicago und spinnt den Gedankengang einer totalen Vernetzung weiter. Durchaus ein realistisches Szenario, da ein Leben ohne soziale Vernetzung schon in der heutigen Zeit kaum denkbar ist. Ein sensibles Thema, dessen Ubisoft sich annimmt. Gerade das Ausspionieren privater Daten durch die NSA ist eine sehr komplexe Thematik. Watch Dogs orientiert sich dabei an dem Vorreiter der provokations Sequenzen GTA. Geht aber einen eigenen, innovativen Weg.
Eine gescheiterte Mission mit tragischem Ende
Chicago wird zur Spielwiese für den Protagonisten, Aiden Pearce. Ein professioneller Hacker der in seiner Vergangenheit schon Bekanntschaft mit dem Gesetz machte. Ein gescheiterter Hack-Angriff auf ein Konten-System wirft uns in die Story des Open-World-Spiels. Der misslungene Plan nahm darüber hinaus ein bitteres Ende. Aidens Mission blieb nicht unbemerkt und veranlasste eine anonyme Person dazu, den Auftragsmörder Maurice Vega auf Aidens Familie anzusetzen. Bei einem Attentat ließ Aidens sechsjährige Nichte Lena ihr Leben. Grund genug um Aiden zu Chicago’s Rächer werden zu lassen. Ein moderner Robin Hood wenn mann so will, allerdings mit der Motivation Lenas Killer ausfindig zu machen. Aiden bekommt seine Rache, zumindest an Maurice. Der Drahtzieher jedoch, bleibt weiterhin unerkannt. Soviel zum Hintergrund von Watch Dogs. Näher wollen wir gar nicht eingehen, da wir sonst massiv spoilern müssten.
Einmal Mäuschen spielen
Aidens wirksamste Waffe ist sein Smartphone. Hacken ist ein primäres Element in Watch Dogs und es steht einem nahezu jeder elektronische Gegenstand zum manipulieren zur Verfügung. Chicago’s Betriebs- und Serversystem ctOS macht es möglich. Über das ctOS wird unter anderem das Ampel-, Internet- und Straßenleitsystem gesteuert. Wie überaus praktisch, dass Aiden sich gerade auf das Hacken dieses Systems spezialisiert hat. Diese Fähigkeit gibt uns nahezu unbegrenzten Handlungsspielraum, denn wir können beinahe jeden elektronischen Gegenstand hacken. Von Autos, Ampeln, Pollern bis hin zu Geldautomaten und Handys stehen uns alle Türen offen. Gerade das Ausspionieren der privaten Gespräche, Nachrichten und Mails der NPC’s macht unglaublich viel Spaß. Durch zufällig generierte Gespräche und Personen-Profile bleibt das Profiling immer abwechslungsreich. Dadurch erfährt man außer teils sehr lustigen und einfallsreichen Dialogen, auch ernste Hintergründe einiger NPC’s. Somit wird man früher oder später Zeuge eines Verbrechens und kann sich entscheiden, ob man eingreift oder ob man dem Opfer sein Schicksal überlässt. Wirklich ausschlaggebende Veränderungen an unserer Moral-Leiste bemerkt man dadurch allerdings nicht. Dafür führen uns die Dialoge zu zahlreichen Nebenmissionen.
Als Spinne im Straßenverkehr
Überhaupt bietet Watch Dogs ein Sammelsurium an Features und Missionen. Das Spiel wird somit nie langweilig oder eintönig. Alleine die digitalen Trips brillieren in Watch Dogs. Die Fähigkeit die Kontrolle über eine überdimensionierte Roboter-Spinne zu übernehmen und dabei alles zu zerstören, was nicht bei drei auf den Bäumen ist reizt unglaublich. An jeder Ecke Chicago’s gibt es Aufträge oder andere Missionen, zu denen wir nicht nur zu Fuß schlendern müssen. Aiden stehen einige Vehikel zur Auswahl, wie verschiedene Autos, Motorräder oder Boote. Die Steuerung der Fahrzeuge ist anfangs recht knifflig und sehr direkt. Nach einer Weile jedoch, gibt es auch in diesem Bereich kein Halten mehr und auch hier wird munter weiter gehackt. Was sich als sehr hilfreich z.B bei Verfolgungsjagden erweist, wenn wir eine Ampel manipulieren oder gleich Hubbrücken hochfahren lassen. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich das gesamte elektronische Netz durch einen Blackout lahmzulegen. Um spezielle Hacks zu ermöglichen müssen wir uns allerdings zuerst in die die ctOS-Server einspeisen.
Oh, Du wunderschöner Skilltree
Erfolgreiche Hacks und Missionen bringen Erfahrungspunkte, die wir in den überaus umfangreichen Skilltree investieren können. In den Bereichen Hacken, Kampf, Hergestelltes und Fahren kann man skillen bis zum jüngsten Tag. Auch wenn der Skilltree überladen wirkt, beinhaltet er sinnvolle und nützliche Erweiterungen für unsere Fähigkeiten. Diese benötigen wir auch dringend in den Hauptmissionen. So hat man die Möglichkeit eine Zielperson nur mithilfe des hackens ausfindig zu machen und Gegner auszuschalten.
Stealth oder Leroy Jenkins
Aiden stehen auch zahlreiche Waffen zur Auswahl um sich gegebenenfalls einfach durch einen Abschnitt zu meucheln. Genauso gut kann man auch erst einmal alle Gegner über die Überwachungskameras markieren, sie ablenken und dann vorbei schleichen oder man hackt Gegenstände in unmittelbarer Nähe der Gegner, wie Gasleitungen oder Stromkästen und beseitigt sie somit, ohne sich selber die Finger schmutzig zu machen. Dabei wird Watch Dogs keineswegs zu leicht, denn die Gegner KI und die unterschiedlichen Abschnitte erfordern ein immer neues Umdenken der Strategie.
Grafik der Zukunft?
Watch Dogs bietet also ein Portfolio an Möglichkeiten und sieht dabei auch wunderschön aus. Ein Grafik-Knaller ist der Ubisoft-Titel allerdings nicht. Zwar punktet das Spiel mit schönen Wasser-Reflexionen, hoher Kantenglättung und detaillierten Texturen doch Tags über wirkt Chicago etwas entsättigt. Licht- und Schatten-Effekte kommen daher besonders Nachts zur Geltung. Die Wetterwechsel sind authentisch und nasse Straßen sind gut in Szene gesetzt.
Ubisoft verpasst große Chancen
Chicago stellt sich als ideale Kulisse für Aiden Pearce heraus. Leider verpasst Ubisoft einige Gelegenheiten um Watch Dogs zu einem nahezu perfektem Spiel werden zu lassen. Obwohl ein so heiß diskutiertes Thema wie Datenspionage angeschnitten wird, bezieht Watch Dogs dazu keine eigene Meinung. Da hätte man ruhig provokanter vorgehen können. Auch den Charakteren mangelt es an individuellen Eigenschaften. So wirkt Aidens Beziehung zu seiner Familie aufgesetzt und die Emotionen in einigen Sequenzen erzwungen. Aidens Motivation ist zwar durchaus nachvollziehbar, jedoch bleibt der Protagonist zu gefasst und berechenbar. Ubisoft hat sehr gute Ansätze, hätte aber mutiger handeln können. Dennoch ist es ein gelungener Reihen-Start und bietet viel Raum um die Geschichten der Charaktere weiterzuführen.
Multiplayer
Der Multiplayer ist ebenfalls sehr unterhaltsam und abwechslungsreich, bietet viele Aufträge, Rennen und Freeroaming-Missionen. Das Hacken ist dort wieder ein elementarer Faktor. Wie in dem Team-Deathmatch angelehnten Modus, können andere Hacker-Gangs die eigene ausschalten indem sie Daten hacken und eine sogenannte Backdoor installieren. Schafft man es nicht die Gegner ausfindig zu machen und zu eliminieren, bevor diese den Hack-Versuch abgeschlossen haben, so verliert man logischerweise Punkte. Die zum Beispiel zum freischalten einiger Boni verwendet werden können. Wer sich in der Map gut zurechtfindet und einige Abkürzungen oder viele Fallen kennt, hat einen klaren Vorteil.
Fazit
Abschließend kann man Watch Dogs als gut inszenierten Action-Thriller bezeichnen der viel Open-World bietet. Haufenweise Haupt- und Nebenmissionen, Skill-Möglichkeiten und viele andere Features. Es funktioniert für Stealth- sowie für Action-Shooter-Fans. Das Moralsystem hätte man sich zwar schenken können aber nun gut. Wir wollen mal nicht so kleinlich sein. Watch Dogs lohnt sich in jedem Fall, obwohl es nicht die versprochene Grafik-Sensation darstellt, hohlt das Spiel diese verschenkten Punkte alleine schon wegen des Umfangs wieder rein.