DAS ENTWICKLERSTUDIO DER ZUKUNFT
(Ninja Theorys Vision für HELLBLADE und künftige Projekte)
Während sich die einen über das große und stetig wachsende Angebot an Indiespielen auf den Konsolen freuen, die bisher meist nur den PC-Spielern zugänglich waren, können andere das Wort „Indiespiel“ oder „Indiestudio“ mittlerweile nicht mehr hören. Dabei brauchen sich diese Spiele schon längst nicht mehr hinter großen AAA-Titeln verstecken und können auch im Bezug auf beeindruckende Grafik, kreatives Gameplay und fesselnde Handlung locker mithalten. Aber was macht diese Art von Spielen eigentlich so erfolgreich – und vor allem so beliebt? Liegt es vielleicht an den kleinen Entwicklerteams, die mit viel Engagement und kreativen Lösungen wett machen, was ihnen an Budget fehlt, oder ist es die Nähe zu den Spielern, die die Entwicklung häufig hautnah miterleben dürfen und oft sogar mitfinanziert haben (Stichwort „Crowdfunding“)?
Ninja Theory auf der EGX London
Eine mögliche Antwort auf diese Fragen und wie das Entwicklerstudio der Zukunft aussehen könnte war Thema von Dominic Matthews, Development Manager bei Ninja Theory, als er eine Präsentation auf der Spielemesse „EGX London“ hielt. Momentan arbeitet das Studio in einem kleinen Team an dem Actionspiel HELLBLADE, das im Sommer auf der Gamescom offiziell angekündigt wurde. Matthews sprach zwar auch über den Fortschritt von HELLBLADE, zeigte aber vor allem die Vorzüge von Indipendent-Studios auf und erklärte welche Visionen und Ideen Ninja Theory für die Zukunft hat. Womöglich ist dies eine Zeit des Umbruchs und es entstehen ganz neue Möglichkeiten, Videospiele zu entwickeln, zu finanzieren und Entwicklerteams zu gründen. Nun ist das englische Entwicklerstudio kein Indiestudio, sondern hat bereits mit großen Budgets große Projekte wie HEAVENLY SWORD, ENSLAVED ODYSSEY TO THE WEST und DEVIL MAY CRY realisiert. Für die Entwicklung von HELLBLADE hat sich laut Matthews allerdings nur ein Bruchteil der Firma – genauer gesagt 12 Mitarbeiters des Teams – zusammen gefunden. In seiner Präsentation sprach der Development Manager davon, welche Vorteile ein kleines Team mit sich bringt und vergaß auch nicht über Risiken zu sprechen.
Was ist eigentlich ein Indiespiel?
Doch zunächst wäre vielleicht eine Begriffserklärung ganz hilfreich. Was verstehen wir eigentlich unter einem Indiestudio? Sind das zwingend kleine Studios, die kleine Spiele entwickeln? Ein klares nein! Der Begriff „Indie“ oder „Indipendent“ steht lediglich dafür, dass das Studio mit einem kleinen Budget, wenigen Mitarbeitern und ohne finanzielle Unterstützung eines großes Publishers seine Projekte realisiert. Viele Firmen setzen dafür auf das „Crowdfunding“, bei dem sie schon vor oder während der Produktion für ein Spiel werben, die Spieler an der Entwicklung teilhaben lassen und Geldspenden sammeln. Nirgendwo ist fest gelegt, dass sich diese Indiegames auf ein spezielles Genre beschränken oder gar minderwertige Spiele sind. Um beim Beispiel von HELLBLADE zu bleiben, beschreiben die Entwickler ihr Spiel als ein Indipendent-AAA-Titel, also als ein großes Spiel mit „Blockbuster-Qualität“, das in einem sehr kleinen Rahmen entwickelt wird. Das dies auch möglich ist, bewiesen die Entwickler unlängst bei den auf der Gamescom veröffentlichten Trailern und den später gefolgten Entwickler-Tagebüchern.
So wird HELLBLADE ein Erfolg
Der Schlüssel zum Erfolg ist laut Ninja Theory sehr zielgerichtet zu arbeitet. So wolle man kein Spiel für einen möglichst breiten Markt entwickeln, sondern für eine ganz bestimmte Zielgruppe, erklärte Dominic Matthews. HELLBLADE wird sich an genau die Spieler richten, die auch an den anderen Titeln des Entwicklers schon Spaß gehabt haben. Das Grundgerüst des Spiels besteht aus drei Elementen: Zum einen besteht es aus fordernden Kämpfen, zum anderen erzählt es eine bedeutsame Geschichte und erzählt diese in wunderschönen Bildern (Kämpfe, Geschichte, Grafik). Während an AAA-Blockbustern gerne einmal 300 Menschen arbeiten und die Produktion bis zu 100 Millionen $ kostet, hat Ninja Theory ein Team aus 12 Mitarbeitern zusammen gestellt und ein Budget, das weit unter den günstigsten AAA-Titeln mit Kosten von 20 Millionen $ liegt. Fehlendes Budget muss mit kreativen Lösungen aufgefangen werden, indem man eigene Technik-Ressourcen nutzt, anstatt andere Firmen damit zu beauftragen. Ohne starke Partner geht es dennoch fast gar nicht, darum arbeitet Ninja Theory mit Vicon zusammen, die für das „Performance Capture“ oder „Motion-Capture“ verantwortlich sind, das fast zu einem qualitativen Markenzeichen von Ninja Theory geworden ist. Diese Technik verschlingt zwar einen großen Teil des Budgets, sorgt aber für hoch-qualitative cineastische Aufnahmen von echten Schauspielern.
Ein kleines aber feines Team
In diesem multi-talentierten Team hat jeder eine bestimmte Aufgabe, ist aber auch in der Lage und Willens andere Aufgabenbereiche zu übernehmen. Darum gibt es streng genommen aber beispielsweise nur einen Art Director, einen Environment-Artist, einen Character-Artist, einen Animator usw. Darüber hinaus haben sich die Entwickler das Ziel gesetzt, so eng wie möglich mit der Community zusammen zu arbeiten, also ein Spiel mit den Spielern für die Spieler zu entwickeln. Es sei ihnen wichtig, so Matthews weiter, das Spiel zu jedem Zeitpunkt in der Entwicklung zeigen zu können – und nicht erst das aufpolierte Endprodukt. Es sei wichtig und förderlich schon früh Kritik und Anregungen aus der Community zu bekommen. Während man bei anderen Spielen gerne mal von „Infolecks“ spricht, wenn verfrüht Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, teilt Ninja Theory ihre Infos bewusst und mit voller Absicht. Die Mitarbeiter sollen schließlich stolz auf ihre Leistungen sein und ihre Arbeit zeigen und teilen dürfen. Mehr Transparenz ist das Ziel der ambitionierten Entwickler. Darum haben sie auch das HELLBLADE-Portal eingerichtet, auf dem sie Entwickler-Tagebücher, Artworks, Tutorials und Videos veröffentlichen.
Die Zukunft der Spiele-Entwicklung
Ninja Theory hat sich für die Zukunft das ehrgeizige Ziel gesetzt, andere kleine Studios zu fördern und allgemein die Entstehung von Indipendent-Studios zu fördern. Dazu wollen sie ihre Entwicklungsprozesse und ihr Business-Modell der Öffentlichkeit zugänglich machen. Außerdem werden sie Workshops für Studenten und Universitäten anbieten, um von erfahrenen Entwicklern zu lernen und deren Ressourcen zu nutzen. In diesen „Ninja Masterclasses“ soll jeder, der Interesse hat und aus der Gaming-Branche kommt, teilnehmen können, Vorlesungen besuchen, Tutorials machen und direktes Feedback von Experten bekommen. So werden sie nicht nur dabei helfen die zukünftige Generation Entwickler auszubilden, sondern ihnen auch die Selbstständigkeit mit auf den Weg geben, sich selbstständig zu machen und eigene Studios zu eröffnen. So will man längerfristig auch kleinen und mittelgroßen Unternehmen ermöglichen, Spiele für die großen Konsolen zu entwickeln.
HELLBLADE Developer Session – EGX London 2014