Nach einem recht anspruchsvollen „DiRT Rally“ und einem eher als Arcade-Racer einzustufenden „Sébastien Loeb Rally Evo“ erblickte im letzten Quartal des Jahres eine Rallye-Simulation das Licht der Welt, das vor allem mit seinen zahlreichen Lizenzen punkten kann. Ob sich „WRC 6“ lohnt, verraten wir euch in dieser Review.
Der französische Entwickler Kylotonn Racing Games hat die durch „WRC 5“ gewonnene Erfahrung genutzt, um nach eigenen Angaben einen neuen Titel der WRC-Reihe zu präsentieren, der den Spielern dank technischen Verbesserungen und neuen Tools eine noch spannendere Rennerfahrung liefern soll. Und tatsächlich gibt es laut offiziellen Angaben allerhand Neues. Das fängt selbstverständlich bei der Rennsaison 2016 an, die alle offiziellen Fahrer samt Wagen sowie die offiziellen Rallyes, deren Strecken in einem Größenverhältnis von 1:1 vorliegen, enthält. Hinzu gesellen sich neue Darstellungsmöglichkeiten und zusätzliche Details im Karriere-Modus, eine Unterstützung der Virtual Reality und einen wiedereingeführten lokalen Split-Screen-Modus. Obendrein soll es eine reichhaltigere Vegetation, mehr Variation bei den Straßenoberflächen und 60-mal mehr Zuschauer am Streckenrand geben. Alles in allem also eine recht umfangreiche Palette an Features, die den Spieler zum Kauf anregen sollen. Doch wie schaut es nun aus? Sollte man wirklich zuschlagen und sich sein eigenes Exemplar von „WRC 6“ zulegen?
Oh verdammt…
Fangen wir am besten mit dem wichtigsten Aspekt an. Da es sich hierbei um ein Rennspiel handelt, ist die Steuerung von ausschlaggebender Bedeutung, um nicht im Straßengraben zu landen, sondern erfolgreich über die Ziellinie zu fahren. Bedauerlicherweise ist das der Fall – zumindest am Anfang, was aber nicht an der Steuerung liegt. Diese funktioniert nämlich einwandfrei. Die Befehle, die der Spieler mittels Controller anweist, werden problemlos weitergeleitet und letztendlich umgesetzt. Der Ausflug in den Graben wird vielmehr von den persönlichen Fähigkeiten verursacht. Wie im realen Leben fordert der FIA World Rally Championship auch im Videospiel eine gehörige Portion an Können von den Fahrern. Wer zu früh bremst, fährt gegen einen Stein. Wer zu spät bremst, endet am Baum. Und wer zu stark bremst, macht einfach alles verkehrt. Aus diesem Grund dauert es eine Weile, bis man wirklich effektiv über den Schotter, Asphalt oder Ähnliches sausen kann. Daher ist es dieses Mal auch keine Schande, ruhig die einfachsten Einstellungen zu wählen und zunächst ein wenig Erfahrung zu sammeln. Übung macht den Meister – Dieser Spruch passt einfach perfekt.
Aber nicht nur für Neulinge ist „WRC 6“ eine interessante Rallye-Simulation. Dank zahlreicher Einstellungsmöglichkeiten kann das ohnehin anspruchsvolle Spiel zu einer wahren Herausforderung werden. So kann man sich nicht nur aussuchen, ob man manuell oder lieber halbautomatisch die Gänge ins Getriebe prügeln will, ein spezialisiertes Schadensmodell wird obendrein zum größten Feind. Zum Beispiel sorgt eine zu starke Kollision mit einem Fels für einen erheblichen Motorschaden, sodass einem letztendlich nichts anderes übrig bleibt, als aufzugeben. Wer eine aggressive Fahrweise an den Tag legt, bekommt abhängig von den Einstellungen ebenfalls Probleme. Das Fahrwerk oder die Reifen können sich nämlich nicht mit einer solchen brachialen Art und Weise des Fahrens anfreunden. Obendrein besteht stellenweise die Möglichkeit, sein Fahrzeug zu konfigurieren, sodass man den Rennboliden auf die persönlichen Bedürfnisse anpassen kann. Allerdings empfiehlt sich ein derartiges Vorgehen eher für die Profis.
Viel Platz zum Spielen!
Sollte man irgendwann in der Lage sein, eine wirklich brauchbare Performance auf der Strecke abliefern zu können, werden die einzelnen Menü-Punkte im Hauptmenü interessant. So gibt es neben dem Solo-Bereich, in der man unter anderem den Karriere-Modus in Angriff nehmen kann, auch den Multiplayer. Doch bleiben wir zunächst bei der Karriere. Hier könnt ihr euch von der WRC Junior Klasse über WRC 2 bis zur berühmten WRC hocharbeiten. Wie bereits aus anderen Rennspielen gewohnt, unterzeichnet man Verträge bei einzelnen Teams und muss neben einer guten Platzierung bei den Rallyes auch teaminterne Erwartungen erfüllen. Bedauerlicherweise steht im Karriere-Modus lediglich das Fahren im Mittelpunkt. So spielt es im Grunde keine Rolle, für welches Team ihr hinter dem Steuer sitzt. Die Entwickler hätten durchaus noch ein wenig an der Gesamtpräsentation arbeiten können, wie es beispielsweise bei „F1 2016“ sehr gut zur Geltung kommt. Hier redet der Manager mit einem und auch das Sammeln von Erfahrungen und Erkenntnissen ist von Bedeutung. Derartige Features hätte man in „WRC 6“ sicherlich auch einbauen können.
Wer nicht nur den KI-Gegnern zeigen will, wer der beste Fahrer ist, der kann auf den Multiplayer zurückgreifen, wo sowohl synchrone als auch asynchrone Modi zur Verfügung stehen. Die persönlichen Ergebnisse werden dann in einer Weltrangliste gespeichert, sodass ein spannender Wettkampf entsteht. Im Vergleich zum eSports-Bereich der Rennsimulation wirkt der Mehrspieler-Bereich beinah belanglos. Denn hier geht die wirkliche Action ab. Was in „WRC 5“ groß aufgezogen wurde, wird in „WRC 6“ nahtlos fortgeführt. Die einzelnen Wettbewerbe werden nämlich zeitgleich mit den echten Rennen der WRC Championship ausgetragen. Da es hierbei sogar ein echtes Auto zu gewinnen gibt, sind die Anforderungen an die Spieler natürlich extrem hoch und ein Neuling kann in keinster Form mitmischen. Lobenswert ist jedoch der Fakt, dass jeder Besitzer von „WRC 6“ die Möglichkeit hat, am eSports teilzunehmen. Bei Vorgänger war dies nur über einen kostenpflichtigen DLC möglich.
Schön, ein Baum!
In der Vergangenheit war es ganz normal und inzwischen sind Verbesserungen zu spüren – Abseits der Strecke sehen Renntitel leblos aus. „WRC 6“ hat bei uns gemischte Gefühle hinterlassen. Zum einen gibt es positive Aspekte wie Zuschauer, die anfangen zu jubeln, wenn man an ihnen vorbeifährt, oder auch eine recht detailreiche Natur, die für eine hohe Authentizität sorgen. Zum anderen wird der Bezug zur Realität nicht immer großgeschrieben. Wir erwarten zwar nicht, dass ein ganzer Baum umkippt, wenn wir versehentlich frontal gegen ihn fahren, aber wenn man eine Weinrebe streift, sollte diese schon nachgeben. Tja, aber leider ist das nicht der Fall. Egal ob Baum, Strauch oder Stein – Ein Zusammenstoß fühlt sich stets gleich an. Nun ist es natürlich nicht das Ziel, möglichst viele Objekte zu rammen, dennoch kommt es leider oft genug vor. Aus diesem Grund stört uns die fehlende Vielfalt, die für viele Spieler sicherlich nebensächlich sein wird.
Etwas fragwürdig ist zudem das Verhalten von Zäunen. Vielleicht gibt es zwischen ihnen verschiedene Typen und wir durchschauen die gesamte Angelegenheit nicht, aber manchmal fällt er um und gelegentlich gibt er überhaupt nicht nach. So werden wir beispielsweise von einer Kurve überrascht und rasen frontal gegen den Zaun, der von dem Zusammenstoß total unbeeindruckt bleibt. In der nächsten Kurve driften wir dann halbwegs erfolgreich, berühren den Zaun aber leicht mit dem Heck und sofort fällt dieser um. Zusammenfassen ist die Physik in manchen Situationen durchaus fragwürdig, was gelegentlich nebensächlich hingenommen wird, aber auch total ärgerlich sein kann. Vor allem wenn dadurch eine spitzenmäßige Zeit verhindert wird.
Doch dafür können die Mannen von Kylotonn Games mit ihrem Wettersystem punkten. So gibt es sonnige Tage, die eine weite Sicht ermöglichen. Im Wald ist dieses aufgrund natürlicher Bedingungen dennoch meist eingeschränkt. Dem gegenüber stehen verregnete Tage, die das Sichtfeld negativ beeinflussen. Einen Einfluss auf den Untergrund und somit auf die Fahrphysik konnten wie bei Regen aber nicht spüren. Was aber einen deutlichen Unterschied mit sich bringt, sind die Nachtpassagen. Man kann einfach nur ein paar Meter weit sehen, was bei Geschwindigkeiten von 120 Kilometer pro Stunden in einem Wald nicht gerade vorteilhaft ist. Folglich muss man sich extrem konzentrieren. So extrem, wie wir es selten in Videospielen erlebt haben. Stellenweise mussten wir nach einem solchen Rennen eine kurze Pause zum Verschnaufen einlegen. Eine echte Herausforderung, die uns sehr gefällt.
Da geht noch was
Blicken wir abschließend auf die technischen Aspekte von „WRC 6“. Die Grafik liefert eine solide Leistung ab, es ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben. Hier hätten man ruhig noch ein paar Verbesserungen vornehmen können. Gelegentlich trafen wir auch fehlerhafte Staubanimationen an. Wenn zum Beispiel rechts von der Strecke unerwartet eine komisch aussehende Staubwolke ohne Grund auftaucht, ist dies sicherlich nicht gewollt. Beim Sound sieht aber alles recht gut aus. Dröhnende Motoren und das typische Geräusch, wenn man über Schotter fährt, sorgen für eine realitätsnahe Darstellung. Ob man die Anweisungen des Beifahrers als nervig empfinden, muss jeder selbst entscheiden. Nützlich sind sie allemal. Immerhin stellen sie den einzigen Anhaltspunkt zum Verlauf der Strecke dar und retten den Spieler in vielen Fällen vor einem katastrophalen Crash mit einem Stein oder Ähnlichem.
Fazit:
Was halten wir nun von „WRC 6“? Sobald man die Steuerung beherrscht und über das nötige Feingefühl verfügt, bringt die Rallye-Simulation viel Spaß mit sich. Sowohl Neulinge als auch Veteranen werden vollkommen auf ihre Kosten kommen, sofern sie sich mit einigen Dingen abfinden können. So passt die Physik in Bezug auf die unmittelbare Umgebung nicht immer perfekt, die Kampagne bietet im Grunde nur die einzelnen Rennen und die Grafik hätte etwas besser sein können. Alles in allem haben die Entwickler von Kylotonn Games aber eine solide Leistung abgeliefert, die den Spielern viele Stunden an Beschäftigung bringen kann.