Im August diesen Jahres veröffentlichte Ninja Theory mit „Hellblade Senua`s Sacrifice“ ein Videospiel mit ungewohnter Thematik. Eine Frau, die Stimmen in ihrem Kopf hört. Psychische Krankheiten als festen Bestandteil eines Videospiels. Das kommt nur selten leider vor.
Was ist der Unterschied zwischen einer physischen und einer psychischen Krankheit? Eine physische Krankheit sehe ich mitunter eher als eine psychische. Wenn wir vor uns eine bekannte Person haben, welche unter einem Bandscheibenvorfall zu leiden hat, so ergeht es uns insgesamt leicht, nach dem Wohlbefinden zu fragen. Wie ist die Operation so verlaufen? Wie geht`s dem Rücken? Nimmst du Medikamente? Besitzt dieselbe Person allerdings eine psychische Krankheit, so könnte es dem Gegenüber wesentlich schwerer fallen, nach dem Wohlbefinden zu fragen. Was der Mensch nicht kennt oder nicht sehen kann, ist ihm nicht behaglich. Eine psychische Krankheit kann man nicht sehen. Zumindest nicht am Körper. Bis heute herrscht eine sehr hohe Tabuisierung solcher psychischer Themen vor.
Es gibt eine Krankheit, die sich immer mehr über die ganze Welt ausgebreitet hat. Depressionen. Jeder hat das Wort mittlerweile gehört. Und jeder stellt sich darunter etwas Bestimmtes vor. Fatalerweise allerdings verbinden viele Menschen den Begriff Depression mit traurig sein. Das ist so nicht zwingend korrekt. Hinter einer Depression steckt häufig ein weitaus größeres Dilemma als man es sich vorstellen kann. Vier Millionen Menschen sollen es angeblich bereits in Deutschland sein. Das wäre etwa jeder zwanzigste Mensch hierzulande. Realistisch ist diese Zahl allemal. Allerdings muss dagegen gehalten werden, dass heute viel mehr Fälle als Depressionen diagnostiziert werden. Vor zwanzig Jahren hätte man solche Fälle eher noch in die Akten gelegt ohne solchen Vermerk.
Zwar wird in „Hellblade Senua`s Sacrifice“ nicht explizit das Thema Depressionen in Angriff genommen. Wenn es aber allgemein um das Thema psychische Krankheiten, im Falle des Videospiels um Psychosen geht, dann kommt man nicht um das Phänomen Depressionen herum. Senua wird von ihren Stimmen heimgesucht. Immer und immer wieder sprechen sie zu uns. Mal helfen sie uns, warnen uns davor, dass ein Gegner hinter uns auflauert. Mal aber verspotten sie uns, lachen uns höhnisch aus und sorgen dafür, dass wir uns dermaßen schlecht fühlen durch ihre Angriffe. Finden wir aus dem Labyrinth etwa nicht heraus, so werden wir niedergemacht mit der Bemerkung, dass wir uns verirrt haben.
Doch was ist eine Depression eigentlich? Die folgenden Erläuterungen stellen um Gottes willen natürlich keine adäquat gute Beschreibung dar wie sie von einem medizinischen Experten abgegeben werden würden. Depression ist wie bereits erwähnt kein bloßes Traurigsein. Es gibt unterschiedlichste Symptome, welche auf diese Krankheit hindeuten. Selbstverständlich müssen diese Symptome nicht alle auf einmal auftreten. Jedoch gibt es ein paar sehr markante Merkmale für eine Depression.
- Warum gibt es Tage, an denen wir uns glücklich fühlen? An denen wir zufrieden sind? Weil wir gut gelaunt sind, Erfolge haben oder ähnliches. Es läuft eben einfach. Dann gibt es noch die schlechten Tage. Wir sind schlecht gelaunt oder es läuft nicht so, wie wir es uns wünschen oder ein schweres Ereignis ist eingetreten. Und dann gibt es noch die Tage eines Depressiven. Er hat weder gute noch schlechte Tage. Zumindest, wenn es nach der Laune geht. Denn eine depressive Person hat häufig weder eine gute noch schlechte Laune. Sie hat nichts. In ihr herrscht eine innere Leere, quasi eine Gleichgültigkeit. Eine darunter leidende Person hat einmal treffend beschrieben: „An guten Tagen hatte ich schlechte Laune, an schlechten Tagen fühlte ich mich leer.“
- Damit einher geht auch die Emotionslosigkeit. Wut, Trauer, Freude, Leid, Glückseligkeit. All dies spürt die Person nicht mehr. Sie ist innerlich leer. Vielleicht kennt ihr aus Radiosendungen die diversen Gewinnspiele. Zuhörer können einen Geldgewinn abstauben, wenn sie eine Frage richtig beantworten oder ähnliches. Manchmal flippen solche Gewinner dann aus oder sie brechen sogar in Freudentränen aus. Oder sie schreien aus Freude einfach drauf los. Wegen 500 Euro. Eine depressive Person würde einen solchen Gewinn vollkommen nüchtern und emotionslos, ja kalt, in Empfang nehmen. Gute-Laune-Macher a la Wolfgang Leikermooser oder Stefan Meixner würden dann womöglich am liebsten schnell das Gespräch beenden. Eine Person, die in einer Gute-Laune-Sendung vollkommen ohne Regung einen Gewinn in Empfang nimmt? Das geht ja mal gar nicht.
- Hattet ihr schon einmal Tage, an denen ihr überhaupt nicht aus dem Bett steigen wolltet? An denen ihr am liebsten eure Bettdecke noch mehr über euch gezogen hättet als ohnehin schon? Vermutlich ja. Bei einer Depression kann dies zum Alltag führen. Antriebslosigkeit nennt sich so etwas. Der unter Depressionen Leidende ist zu den einfachsten Dingen nicht mehr in der Lage. Aufstehen fällt ihm schwer. Abwaschen und Einkaufen stellt für ihn bereits eine so große Hürde dar wie für einen Sportler ein Marathon. Das Haus verlassen und einen Spaziergang repräsentiert für die Person bereits einen immensen Erfolg. Einfachste Alltagsdinge werden zur größten Herausforderung. Natürlich gibt es unterschiedliche Grade, wie extrem diese Antriebslosigkeit ausgeprägt ist.
- „Früher hast du doch so gerne Klavier gespielt!“ „Ich habe aber jetzt keine Lust auf Klavier.“ Interesselosigkeit ist ein weiteres markantes Merkmal, welches nicht selten bei Betroffenen auftritt. Sie haben schlicht und ergreifend zu nichts mehr Lust geschweige denn dass sie für irgendetwas begeistert werden könnten. Große Hobbys von gestern sind heute nicht mehr interessant. Sie verschmoren in der Ecke und wollen nicht angefasst werden. Die größten Begeisterungen von früher verschmilzen und sind nichts mehr wert. Antriebslosigkeit und Interesselosigkeit gehen somit gewissermaßen Hand in Hand. Dadurch können Kranke gar nicht anders als nur im Bett zu liegen beziehungsweise nichts zu tun. Sie haben ja schließlich auf nichts Lust.
- Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Hinzu kann auch noch eine ständige innere Unruhe kommen. Die Person fühlt sich nie ausgeglichen oder einfach mal frei beziehungsweise entspannt. Das Entspannen fällt der betroffenen Person sehr schwer. Ständiges Grübeln ergänzen dieses Dilemma. Unglücklicherweise kommt man meistens nicht zu einem zufriedenstellendem Ergebnis, sodass das Grübeln nie wirklich aufhört. Dem Depressiven kann es somit schwerfallen, bewusste und daraus resultierend klare Entscheidungen zu treffen. Schuldgefühle und Selbstvorwürfe kommen erschwerend noch unter Umständen hinzu.
- Auch körperlich beziehungsweise psychosomatisch kann es zu bestimmten Symptomen kommen. Schlafstörungen unterstützen mitunter das Dilemma, am Morgen nicht aufstehen zu wollen beziehungsweise zu können. Sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren stellt eine nahezu unüberwindbare Herausforderung dar. Auch die Libido kommt nicht ungeschoren davon. Herrscht in dem einen Moment noch ein komplett fehlendes sexuelles Interesse vor, kann es in dem nächsten Moment schon zu plötzlichen, überfallartigen extremen, aber kurzweiligen Lustmomenten kommen. Des Weiteren sei noch auf ungewöhnliche Gewichtsveränderungen hingewiesen sowie Verdauungsbeschwerden oder Druckgefühle in der Brust beziehungsweise Magengegend.
Leider ist nicht alles so wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Nicht jeder, der mehrere der oben genannten Symptome aufweist, ist automatisch depressiv. Umgekehrt gibt es aber auch die Fälle, in denen eine Depression von Fachärzten nicht erkannt wird. Und dann gibt es da auch noch die Fälle, die fälschlicherweise mit einer Depression behandelt werden. Wenn die Diagnose gestellt wurde, ist die Frage, wie nun die konkrete Behandlung aussehen soll. Neben einer stationären Aufnahme, die vor allem bei akuten und selbstmordgefährdeten Fällen herangezogen wird, gibt es auch die Möglichkeit einer Therapie. Soll es Einzel- oder Gruppentherapie sein? Neben einer tiefenpsychologischen Therapie gibt es auch die Möglichkeit einer Verhaltenstherapie.
Von der Depression abzugrenzen ist das Burnout. Zwar weisen beide Krankheiten gewisse Gemeinsamkeiten auf, aber dennoch müssen sie klar getrennt werden. Es lässt sich grob sagen, dass der grundlegende Unterschied darin besteht, dass sich Burnout durch Überarbeitung abzeichnet. Die eigenen Bedürfnisse werden dabei ignoriert, das Streben nach Perfektion und noch mehr, noch schneller, noch weiter sind das einzige Ziel vor Augen. Bei einer Depression hingegen herrscht zum Zeitpunkt der Diagnose meistens eine vollkommene Unlust zum Leben vor. Burnout wird aber nicht ohne Grund auch als Erschöpfungsdepression bezeichnet. Nicht selten nämlich hat der Betroffene, wenn er unter Burnout leidet, auch eine Depression. Gewissermaßen hat Burnout der Depression zu einem besseren Ansehen in der Gesellschaft verholfen. In der heutigen strikten Leistungsgesellschaft ist es verständlicher, wenn jemand sich überarbeitet hat als wenn er mit der Nachricht kommt, dass er zu nichts mehr Lust hat geschweige denn etwas fühlt. Vor allem früher wurde so etwas als zu großes Jammern und zu hoher Sensibilität abgestempelt.
Fälle wie Robert Enke aus dem Jahre 2009, welcher sich vor einen Zug warf. Fälle wie Chester Bennigton, der Sänger der weltbekannten Rockband Linkin Park, der, um es makaber auszudrücken, den Strick dem weiteren Leben vorzog. Sie konfrontieren die Masse an Menschen unweigerlich mit dieser weltweiten Krankheit. Und sorgen wenigstens ein bisschen dafür, dass die Depression nicht als ein bloßes temporäres Tief des Traurigseins abgestempelt wird.
Großes Lob an den Autor, ich lese zwischen den Zeilen sehr viel Mühe, das heikle Thema so locker und zugänglich wie nur möglich zu verfassen.
Find ich gut, dass ihr diesen Bericht in dieser Form veröffentlicht habt und jedem Betroffenen wünsche ich viel Kraft um sich dagegen zu stellen!