NewsWarum spielen wir Videospiele? - Teil III

Warum spielen wir Videospiele? – Teil III



Was wurde versucht, in der bisherigen Serie zu beschreiben? Videospiele können ohne Zweifel einen Unterhaltungsfaktor bieten. Des Weiteren dienen sie auch als eine Art Abgrenzung zu den Medien Buch und Film. Doch es ist noch eine weitere Abgrenzung möglich.

Es gibt sie. Die Spieler, die die Hand an den Controller legen, um sich von der Welt von außen abzuschotten. Für sich sein, allein sein oder gerade eben nicht alleine sein. In eine andere Welt tauchen. In eine wunderbare. In eine fantasievolle. Vielleicht auch in eine wünschenswerte. Widersprechen tut es sich aber genauso nicht, wenn wir von einer düsteren Welt sprechen. Um sich von unserer Realität abzuschirmen, ist jedes Mittel bei Videospielen legitim. Vor allem in der Vergangenheit wurde diese Abschirmung gerne kritisiert. Man könnte zu lange und zu oft sich in fremden Welten befinden und im krassesten Falle nur mehr bedingt zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Jeder hat aber seine eigenen Methoden, um das Gesehene in der Welt zu verarbeiten. Sehr oft wird auch Sport geschworen, der hilft Aggressionen auch abzubauen oder abzuschalten und an nichts einfach mal zu denken. Und für manche sind es die Videospiele. Dieses Abschalten kann alleine oder gemeinsam geschehen. Für viele ist der Alltag heutzutage geprägt von der Hektik oder dem Stress. Gerne werden auch Begriffe wie Leistungsdruck und Leistungsgesellschaft verwendet. Nicht zu vergessen das Smartphone, ohne das so mancher im wahrsten Sinne des Wortes verrückt werden würde. Interessant, wie wir uns innerhalb von zehn Jahren von einem solchen Gerät abhängig gemacht haben.

Eigentlich sollte man nicht unbedingt vor dem Schlafengehen die Videospielkonsole einschalten oder fernsehen. Das könnte den Schlaf stören. Manchen kann es trotzdem helfen. Es muss nicht der rasante Online – Shooter sein, in dem es um möglichst schnelle Reaktionszeiten geht. Auch die Familie Baker aus „Resident Evil 7“ muss es nicht sein. Sie würde dem Konsumenten womöglich viel zu viel Adrenalin einflößen. Und Action – Blockbuster sollten ebenfalls mit Bedacht gewählt werden, wenn es um den Ausklang eines Tages geht. Unter Umständen prasseln im Anschluss dermaßen viele audiovisuelle Reize auf uns ein, dass wir von dem ohnehin schon digitalisierten Tag noch mehr gereizt oder überflutet werden. Spiele können Anstrengung bedeuten? Das mag sich so mancher Ottonormalbürger, der gar nicht spielt oder nur gelegentlich die Hauptklassiker in Angriff nimmt, vielleicht nicht vorstellen können. Jeder entscheidet für sich, ob es ruhig auch etwas Anstrengendes sein darf. Von außen her betrachtet mag es überhaupt nichts mit Kraft zu tun haben, wenn wir den Controller in die Hand nehmen, ein paar Knöpfe bedienen und dabei auf den Bildschirm starren. Dabei wissen wir doch, dass es meistens um mehr geht. Narratologische, atmosphärische oder gameplaytechnische Aspekte sorgen dafür, dass wir mit Konzentration herangehen müssen an das Videospiel. An das Erlebnis.

In diesem Zusammenhang muss vielleicht der ein oder andere Leser schon längst an die sogenannten Walking – Simulatoren denken. Von den einen eher mit einem Lächeln begutachtet oder gar als Pseudo – Videospiele abgestempelt. Von den anderen als eine neue Form von Videospielkunst gefeiert. Hier bieten sich nichtsdestotrotz so manche Videospiele, die wahlweise zum sogenannten Abschalten wie auch Eintauchen bis hin zum konzentrierten Dabeisein einladen. „Firewatch“ oder „Gone Home“ können in diesem Zusammenhang genannt werden. Ersteres bietet eine sehr ruhige musikalische Atmosphäre. Der Hauptcharakter befindet sich gar womöglich aus demselben Grund in dem großen Waldgebiet, wie der Spieler das Videospiel spielt. Abstand von der übrigen Welt. Ruhe, Entspannung, das In – Sich – Kehren. Das Abenteuer dauert nicht allzu lange und kann somit problemlos an zwei bis drei Abenden durchgespielt werden. Ebenso wie auch der zweite Titel „Gone Home“. Hier steht sehr stark das Erkunden im Vordergrund. Was anfangs wie ein Horrortitel ausgesehen hat in der Vorschau, entpuppte sich im Anschluss als eine Familiengeschichte, wie sie quasi in jeder geschehen könnte. Wir kommen von einer Reise nach Hause. Unsere Eltern sind nicht da. Ebenso wenig unsere Schwester. Warum das so ist und was alles geschehen ist beziehungsweise zu dieser Situation geführt hat. Das gilt es herauszufinden.

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Was, wenn es nicht nur um das bloße Abschalten geht? Wenn wir nicht einfach nur eine andere Welt erleben wollen und entspannt auf der Couch sitzen wollen? Was, wenn wir uns selbst reflektieren wollen oder etwas mitnehmen möchten aus dem Videospiel, wie man so schön sagen könnte. Videospiele als eine psychische Entlastung. Kann das funktionieren? Die Medizin ist sich weitestgehend einig. Ja, das kann funktionieren. Videospiele verbessern unser räumliches Vorstellungsvermögen, wenn es um die 3D – Darstellungen geht. Der Demenz könnte damit vorgebeugt werden. Aber kann das auch im psychischen Bereich bei uns funktionieren? Fallen da nicht Videospiele weg wie „Spec Ops The Line“, die eher den gegenteiligen Effekt hervorbringen könnten? Schonungslose Gewalt, der innere, nicht auszuhaltende Konflikt, wenn es um Menschenleben geht, die man selbst auf dem Gewissen hat? Doch kann es doch auch die andere Seite geben. „Spec Ops The Line“ als die Möglichkeit, als den Anlass zu nutzen, über kriegerische Konflikte beziehungsweise Situationen nachzudenken. Sich nicht die volle Dröhnung zu geben, indem eine Tagesschau nach der anderen gesehen wird und man danach wieder zum Alltagsgeschäft übergeht. Zusammen mit Freunden das Videospiel spielen. Darüber reden und sich darüber austauschen. Aussprechen statt verdrängen.

Auch andere Videospiele können diesen Aspekt genauer beleuchten. Wieder einmal muss der Autor dieses Artikels eines seiner persönlichen Lieblingsspiele heranziehen in Form von „The Last of Us“. Wie viele andere Videospiele bietet auch dieses die Möglichkeit, es von verschiedenen Seiten zu betrachten. Wie zum Beispiel von der Seite, dass eine sehr tiefe Freundschaft entsteht zwischen Joel und Ellie. Einem etwa 50 – jährigen Mann und einer 14 – Jahre alten Teenagerin. Diese Thematisierung kann dazu führen, sie in das eigene Leben zu projizieren und zu reflektieren, inwieweit diese besteht. Psychische Aspekte sind aber auch bereits selbst Teil und Thema eines Videospiels. An dieser Stelle kann nicht oft genug der Titel „Hellblade Senua`s Sacrifice“ genannt werden. Senua hat mit Psychosen und dem Hören von Stimmen zu kämpfen. Die Entwickler haben keine Zeit und keinen Einsatz gescheut, möglichst detailreich und authentisch diese Krankheit dem Videospieler näherzubringen. Umso mehr beeindruckend ist dieses Videospiel, als dass der Einsatz von Kopfhörern zentraler, elementarer Bestandteil des Erlebnisses ist. Ohne diese kann das Erlebnis nicht in der Form erlebt werden, wie es die Intention ist. Die Stimmen werden in den Kopf des Videospielers transportiert, so als ob er selbst Senua oder ein Teil von ihr ist. Er oder sie geht mit ihr diesen Weg, der auch als ein Weg der Selbstfindung verstanden werden kann.

Dass Videospiel und Psyche beziehungsweise die Verarbeitung mittels dieses Mediums weit mehr bedeutet, das versucht auch Philosophie – Professor Markus Gabriel von der Universität in Bonn klarzumachen. Er ist leidenschaftlicher Videospieler. Er sagt, dass virtuelle Landschaften genauso berechtigt existieren, wie dies die physische Welt um uns herum tut. „In diesem Fall in meiner Einbildungskraft und in der Einbildungskraft aller anderen, die diese Spiele spielen. Die Spielwelt ist ‚objektivierte‘ Einbildungskraft, das heißt: Wir können uns gemeinsam etwas vorstellen, in dem wir dieses Spiel spielen.“ Markus Gabriel geht noch weiter. „Man kann jede Wirklichkeit abschalten. Ich kann zum Beispiel meinen Stuhl zerstören, Sie können mich umbringen oder wir können das Gespräch beenden, das wir gerade führen…“ Einen Computer kann man nicht so einfach mit dem einzigartigen Adjektiv „herunterfahren“ beschreiben. „Jede Form von Information, und damit Materie und Energie, wird irgendwann verschwinden, also alles, was existiert, auch das Physikalische, verschwindet. Nichts bleibt für immer.“ Eine konkrete Verknüpfung von unserer Gesellschaft und Videospielen versucht er mit folgendem Statement zu verdeutlichen. „Die Frage nach Wirklichkeit ist die entscheidende politische Frage. In der Politik geht es eigentlich um einen Kampf um Wirklichkeit. Es soll festgelegt werden, was als Wirklichkeit gilt. Je nach Festlegung dessen, was wir für wirklich halten, werden Ressourcen anders verteilt.“ Für einen Videospieler passt es vielleicht besser in sein Konzept der Wirklichkeit, wenn die Bundeskanzlerin auf der Gamescom persönlich anwesend ist, anstatt die (wirtschaftliche) Bedeutung von Videospielen in Berlin klarzustellen.

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