Die Wolfenstein-Reihe von Bethesda und Machine Games ist dafür bekannt, auf knackige Shooter-Action und einen Singleplayer-Modus mit Story-Fokus zu setzten. Einen optionalen Multiplayer-Part gab es in den bisherigen Ablegern noch nicht.
Wolfenstein Youngblood macht da einiges anders. Zum einen steuern wir nicht mehr den Regime-Jäger B.J. Blazkowicz, sondern einen seiner zwei Töchter. Zum anderen dürfen wir die gesamte Kampagne mit einem Freund bestreiten. Ob Wolfenstein Youngblood dabei doppelten Spaß bereitet, oder wir uns doch lieber den Einzelgänger B.J. Blazkowicz zurückwünschen, soll unserer Review zeigen.
Besetztes Europa
Paris 1980. Die französische Hauptstadt ist immer noch durch das Regime besetzt und heißt jetzt Neu-Paris. Trotz der Bemühungen von B.J. Blazkowicz tobt der Krieg in Europa weiter. In dieses besetzte Neu-Paris verschlägt es unsere beiden Heldinnen Jess und Soph. Auf der Suche nach ihrem Vater schließen sich die Zwillinge dem französischen Widerstand an, um das Regime zu zerschlagen. Denn B.J. Blazkowicz ist ohne ein Wort verschwunden. Zu Beginn wird die Geschichte in gewohnt schön gestalteten Cutscenes erzählt und die Protagonistinnen vorgestellt. Nach dem sich Soph und Jess jedoch dem Widerstand angeschlossen haben, reduziert sich die Häufigkeit der Erzählung durch Cutscenens. Die Story wird dann eher durch die Nebenmissionen, die dazugehörigen Dialoge und die stimmungsvolle Level-Architektur erzählt. Das ist für Serien-Kenner vermutlich sehr ungewohnt, genauso wie die Tatsache, dass Wolfenstein: Youngblood sehr viel offener gestaltet ist. Leider bleibt die Story zum großen Teil sehr belanglos und ist weniger spannend geschrieben als bei den Vorgängern.
Upgrades
Zu Beginn des Abenteuers wählen wir eine der beiden Schwester aus, die wir verkörpern wollen. Spielerische Auswirkungen hat diese Wahl bis auf die Anfangswaffe nicht, denn beide können alle Waffen benutzen und im Spiel finden. Die Wahl des Charakters ist nur rein kosmetisch. Außerdem dürfen wir den Skin der Motorrüstung wählen, sowie eine spezielle Fähigkeit und eine Geste. Mit der Fähigkeit können wir uns entweder Tarnen oder Gegner offensiv umrennen. Die Geste verleiht uns und unserer Partnerin entweder einen Gesundheits- oder Rüstungsboost. Während des Fortschritts der Story können wir weitere Gesten und Fähigkeiten erhalten, indem wir diese im Menü freischalten. Somit wird das Koop-Gameplay gestärkt, da jeder Charakter individuelle Fähigkeiten benutzen kann. Das Leveldesign ist hier eher weniger durchdacht. Denn außer gemeinsam Türen zu öffnen oder Schalter zu betätigen wird kein großes Zusammenspiel erfordert. Wir dürfen die komplette Kampagne im Solo-Modus durchspielen. Die KI stellt sich hier recht gut an, hat aber auch Aussetzer. So schießt sie nicht immer wenn Feinde anwesend sind oder lässt sich von was anderem ablenken, obwohl wie gerade ihre Hilfe brauchen. Mit einem menschlichen Mitspieler macht es hier um einiges mehr Spaß.
Neu-Paris
Über eine U-Bahn Karte navigieren wir unsere Hauptfiguren zu den einzelnen Arealen von Neu-Paris. Diese Areale sind anders als in den Vorgängern sehr viel offener gestaltet und ermöglichen sogar vertikales erkunden der Level durch einen Doppel-Sprung etwa. Das erinnert ein wenig an die Dishonored-Reihe. Das ist jedoch auch nicht verwunderlich, denn die Entwickler der Arkane Studios haben an Youngblood mitgewirkt. Neben Hauptaufgaben, möchten natürlich auch etliche Nebenaufgaben erledigt werden, die wir von den Mitgliedern des Widerstands in deren Unterschlupf erhalten. Diese Aufgaben müssen dann in einem der drei großen Areale erledigt werden. Leider ist ein häufiges wechseln der Location von Nöten, was dazu führt, dass wir sehr oft die gleichen Areale durchqueren müssen. Somit nutzen sich die schönen Umgebungen ab und werden schnell langweilig.
Rollenspiel-Shooter
Das Gute daran ist, dass wir immer wieder eine Menge Feinde vorgesetzt bekommen, und wir so in unserem Level aufsteigen. Denn Wolfenstein: Youngblood hat ein Rollenspielsystem verpasst bekommen und die Missionen an eine Level-Empfehlung gekoppelt. Ist die Aufgabe über dem eigenen Level, wird man es sehr schwer haben, diese abzuschließen, da man zu wenig Schaden austeilt und schnell aus den Latschen kippt. Somit ist es auch zwingend notwendig Nebenmissionen abzuschließen. Leider sind diese recht eintönig geworden und wiederholen sich schnell. Das führt zu einem nötigen Grind und fühlt sich eher wie Arbeit an. In Häppchen kann man das aber verschmerzen. Haben wir genug Erfahrung gesammelt dürfen wir uns an einem der drei Zwischen-Boss-Unterschlüpfe versuchen. Wir kämpfen uns also durch einen Bunkerkomplex zum Endgegner, um diesen dann zu erledigen. Da es aber bei Wolfenstein Youngblood hier keine Checkpunkte gibt, müssen wir bei einem Tod die komplette Mission von Vorne starten. Dafür teilen sich die Schwestern ihre Leben maximal drei Leben. Nach einem Tod fangen wir aber wieder bei Null an und erhalten auch keine Munition zurück. Also müssen wir wieder etwas farmen gehen. Das kann sehr frustrierend sein, da es bis zum Boss gut und gerne eine halbe Stunde gedauert hat.
Technik mit Macken
Wolfenstein Youngblood ist wie schon die Vorgänger ein sehr anschauliches Spiel. Leider kam es bei uns in einigen Cutscenes zu Slowdowns, was den Eindruck etwas mindert. Im Spiel selbst lief aber alles immer flüssig und schnell. Das macht auch wirklich großen Spaß, den das Shooter-Gefühl gut gelungen. Ein wenig stört aber das Trefferfeedback des eignen Charakters. Es ist nicht immer ersichtlich aus welcher Richtung wir beschossen werden. Das führt hin und wieder zu einem schnellen Tod. Jeder Gegner hat außerdem eine Schwäche gegen eine bestimmte Munitions-Art, was etwas Taktik abverlangt. Die KI der Gegner ist in Youngblood leider eher nur zweckmäßig. Diesmal zählt eher Masse statt Klasse. Denn die Gegner tauchen meist in Gruppen auf und können sogar hin und wieder zu Kugelfressenden Schwämmen mutieren. Das zieht die Schießereien leider oft unnötig in die Länge. Der Sound hingegeben ist gewohnt knackig geworden und die Waffen klingen schön satt. Außerdem sind die Explosionen spektakulär in Szene gesetzt.
Zwei Versionen
Wir haben die deutsche Version getestet, in der nur die deutsche Sprachausgabe und deutscher Text vorhanden ist. Außerdem fehlt hier die Hakenkreuz-Symbolik. Da Wolfenstein Youngblood aber auch in der internationalen Version veröffentlicht wurde, ist es eure Entscheidung, für welche ihr euch entscheidet. In der internationalen fehlt jedoch die deutsche Lokalisation komplett und ihr müsst euch beispielsweise mit englischer Sprache und Text abfinden. Beide Versionen sind jedoch komplett ungeschnitten was die Gewalteffekte angeht und beide Versionen sind im Online-Koop kompatibel. Außerdem kosten beide Versionen in der Standard-Fassung knapp 30 Euro. Für 10 Euro mehr bekommt ihr die Deluxe-Edition, die einen Buddy-Pass beinhaltet. Mit diesem kann ein Freund das Spiel mit euch zocken, ohne sich dieses kaufen zu müssen. Ein sehr vorbildliches System.
Fazit
Wolfenstein Youngblood ist ein solider Koop-Shooter geworden, der auch genau auch hier seinen Fokus setzt. Leider sind beide Charaktere spielerisch zu ähnlich und erhalten so kaum Charakter. Die Story ist diesmal eher nur Beiwerk und die Nebenmissionen sind sehr abwechslungsarm geraten. Somit fühlt sich das Rollenspielsystem eher aufgesetzt an und streckt im Zweifelsfall nur die Spielzeit künstlich. Grafisch kann sich Wolfenstein Youngblood sehen lassen und auch Soundtechnisch gibt sich das Spiel kaum eine Blöße. Youngblood möchte aber für sich selbst stehen und das tut es auch. Vor allem der günstige Preis und der Buddy-Pass lässt über einige Ungereimtheiten hinwegsehen. Für alle die einen Koop-Shooter suchen, um mit einem Freund zu spielen und denen die Story egal ist, die werden mit Wolfenstein Youngblood Spaß haben. Alle Fans, die auf eine richtige Fortsetzung gewartet haben, könnten aber enttäuscht werden.